Die Konduktive Förderung nach Petö
Die Konduktive Förderung ist ein komplexes Fördersystem für Menschen mit Behinderung. Ursprünglich wurde es von dem ungarischen Arzt und Pädagogen András Pető für Kinder und Jugendliche mit cerebralen Bewegungsstörungen und Erwachsene mit MS, Schlaganfall und Parkinson-Syndrom entwickelt. Er definierte die Bezeichnungen Konduktive Erziehung und Konduktive Pädagogik.
Die Ursprung und die geschichtliche Entwicklung. Eine kurze und sehr lesenswerte Zusammenfassung der Ursprung und geschichtlichen Entwicklung der Konduktiven Förderung bzw. deren Etablierung und Verbreitung in Deutschland finden Sie auf der Seite des Konduktorenverbands!
Das Konzept und die Zielsetzung der Konduktiven Förderung
Das Grundprinzip geht von der Betrachtungsweise aus, dass eine cerebrale Bewegungsstörung eher ein ein Lernhindernis verursacht und beeinträchtigt nicht nur die motorische Fähigkeiten, sondern die gesamten Persönlichkeitsentwicklung. Mit gezielten Fördermaßnahmen sollen die durch diese Lernstörung entstehende Dysfunktionen (nicht zum gewollten Ziel führende Funktionen) überwunden und eine zum Ziel der Tätigkeit führende Funktion, die Orthofunktion erreicht werden. Das von Andras Petö geprägte Begriff der Orthofunktion ist immer individuell vom aktuell geplanten Tätigkeit bzw. Lebenssituation der betroffenen Person zu verstehen.
Mit dieser Sichtweise behandelt man keine Krankheit sondern hilft beim Lernen in einem individuellen, gemeinsam geplanten Lernprozess.
Ziel der Förderung ist eine maximale Unabhängigkeit von Hilfsmitteln bzw. Personen zu erreichen. Zum Beispiel beim Erwerb motorischer Grundfähigkeiten wie Sitzen, Stehen, Gehen, Laufen, Feinmotorik sowie koordinativer Eigenschaften, im intellektuellen und sozial-emotionalen Lernbereichen (Sprache, Kulturtechniken, psychosoziales Handeln), im lebenspraktischen Lernbereich (Essen, Ankleiden, Hygiene).
- Es reduziert den Entwicklungs- und Erziehungsprozeß nicht primär auf (psycho-) motorische Lern- und Funktionsfähigkeit, sondern
- verknüpft den Erwerb motorischer Fähigkeiten mit Tätigkeitszusammenhängen im Alltagsleben, sogenannten
- Aufgabenreihen und Bausteinen im lebenspraktischen, intellektuellen und sozialemotionalen Lernbereich.
- Sie ist ein wichtiger Beitrag, um die Lebenssituation der Betroffenen zu verbessern und
- bietet eine gute Möglichkeit, eine eigen-aktive Teilhabe am Leben zu erreichen.
Die Unabhängigkeit. Unter maximaler Unabhängigkeit wird die Fähigkeit verstanden, sich in der jeweils altersadäquaten Umgebung (Kindergarten, Schule, Arbeit) zurechtzufinden.
Die Konduktorin oder der Konduktor
Die vielen verschiedenen Förderaufgaben werden nicht von einzelnen voneinander getrennten Spezialisten übernommen, sondern von einer Person, der Konduktorin oder dem Konduktor. Die Beschreibung des Berufsbildes finden Sie hier!
Geduld und Gelassenheit. Der Beruf der Konduktorin verlangt vor allem Berufung, zudem, wie kaum eine andere Tätigkeit, immense Geduld und Gelassenheit. Schließlich gilt es, jedes einzelne Kind im Rahmen eines Gruppengeschehens – und da kann es ganz schön laut werden – zur aktiven Teilnahme anzuregen, es behutsam dazu zu bringen, sich über Handgriffe des täglichen Lebens Selbstständigkeit zu erarbeiten. Immer unter Berücksichtigung der Andersartigkeit der Kinder. Jedes hat ein unterschiedliches Entwicklungstempo, muss individuelle Lösungen für seine jeweiligen Bewegungsstörungen finden und will auf unterschiedliche Art und Weise motiviert werden.
Eine Konduktorin muss die Bewegungsbehinderungen jedes Kindes erkennen können und verstehen, in welcher Nervenverletzung sie begründet liegen. Sie muss wissen, welche Folgeschäden damit zusammenhängen, dass die betroffenen Kinder anfällig sind für verschiedene Infektionen, Krankheiten und als Folge der Behinderung meist in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt sind. Auf diesen Erkenntnissen baut sie dann ihr individuell auf das Kind abgestimmtes Förderprogramm auf:
Die kindliche Persönlichkeit wird gestärkt. Medizinische Vorsorgemaßnahmen werden getroffen, da die Gehirnschädigung das Kind anfällig macht. Und in einer harmonischen, Sicherheit vermittelnden, motivierenden und positiven Atmosphäre werden die Fähigkeiten und Begabungen des einzelnen Kindes durch geeignete Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen gefordertund gefördert.
Die Unabhängigkeit mit der Hilfestellung. Die Aufgabe der Konduktorin ist es, Hilfestellung zu geben, zu korrigieren, zu motivieren. Ein Kind soll nicht nur versorgt werden. Bei der konduktiven Förderung nach Petö soll das Kind sich vielmehr unter der Obhut der Konduktorin das selbstständige Lernen aneignen, soll selbst die für sich richtigen Strategien für die Erledigung alltäglicher Aufgaben herausfinden.
Diese Strategien, gesunde Hirnteile zu aktivieren und auf diese Weise die Hirnschädigungen auszugleichen, müssen dann geübt werden, beginnend mit den für Gesunde selbstverständlichen Dingen des Lebens wie Anziehen, Essen, im Haushalt helfen. Fazit: Die konduktive Förderung betont also das Erlernen mehr als die Behandlung, die Unabhängigkeit des betroffenen Kindes weit mehr als nur die Fürsorglichkeit durch die Eltern und Betreuer.
Die spezielle Möbel als Hilfsmittel
In der Konduktiven Förderung werden multifunktionelle Therapiemöbel und -geräte verwendet. Die Sprossentisch, die Sprossenwand und der Sprossenstuhl. Hierbei handelt es sich um Greifmöbel, die dem Kind in jeder Lage optimale Möglichkeiten bieten, sich aktiv zu fixieren und die es selbstständig verwenden kann. Auf diesem Wege wird Hilfe zur Selbsthilfe geleistet.
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Darüber hinaus finden Sie einen weiteren Beitrag zu diesem Thema hier!
Zielgruppen
Die Konduktive Förderung richtet sich an Menschen mit motorischen Beeinträchtigung, Entwicklungsstörung und Körper- und Mehrfachbehinderung. Diese können durch Schädigungen des Zentralnervensystems vor, während oder nach der Geburt, duch Unfall, Erkrankung oder altersbedingtem Abbau entstehen und beeinflußen die Körperbewegung, Koordination und alle Persönlichkeitsbereiche.
Die Kinder
Es wird in Kleingruppen gearbeitet. Diese Gruppen sind heterogen, d.h. die Kinder einer bestimmten Gruppe setzen sich nach dem Alter (bereits ab dem 6. Lebensmonat), dem Befinden und insbesondere nach dem zu erreichenden Ziel zusammen. Obwohl die Kinder der Gruppe die gleichen Aufgaben zu erfüllen haben, ist der Weg der Zielerreichung individuell unterschiedlich. Diese konduktive Fördergruppe stellt den optimalen Rahmen für Persönlichkeitsentwicklung, Orientierung an anderen Kindern (Gruppendynamik), positives Sozialverhalten und spontane Motivation eines jeden einzelnen Kindes dar. Alle therapeutischen und kognitiven Lernvorgänge werden immer mit der Stimme (Laute, Töne, Melodien, Liedern, Reimen oder rhythmischen Wortfolgen) begleitet. Alle Lernvorgänge sind gleichbleibende Abläufe, die ganz allgemein das Lernen erleichtern: Sie geben Sicherheit, fördern rasche Orientierung, schulen Gedächtnis und Planung und ermöglichen es dem Kind, qualitative und quantitative Fortschritte selbst zu erkennen. Bei den motorischen Schwerpunktprogrammen finden sich täglich grobmotorische, (meist Pritschenprogramme), Steh- und Gehprogramme, sowie funktionell orientierte Arm- und feinmotorische Handprogramme.
Die häufige Ursachen von Entwicklungsstörungen, Körper- und Mehrfachbehinderunge:
- Hirnblutung während der Geburt oder in den ersten Lebenswochen
- Unzureichende Sauerstoffzufuhr des Gehirns
- Frühgeburt
- Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft und Schädigung des kindlichen Gehirns durch Mikroorganismen
- Blutgruppenunverträglichkeiten zwischen Mutter und Kind
- Schädel-Hirn-Trauma in beliebigem Lebensalter
- Fehlbildung bzw. spontane Mutation während der Entwicklung des Ungeborenes
- verschiedene Syndromen
Hauptmerkmale können z.B. sein:
- Dystonie wie Hypertonie (Spastik oder rigide Muskeltonus) oder Hypotonie
- Dyskinese jeglicher Art wie Athetose: unwillkürliche Bewegungen bedingt der Störung des extrapiramidalen Nervensystems
- Ataxie: die Störung der Koordination von Bewegungsabläufen bedingt durch der Schädigung des Kleingehirns
- Spina bifida: die Schädigung des Rückenmarks, welche eine Lähmung hervorruft
- allgemeine bzw. komplexe und umbeschriebene Entwicklungsstörung
Die Erwachsene
Die Konduktive Förderung und Rehabilitation weist auch bei Erwachsenen enorme Erfolge bei den folgenden erworbenen Schädigungen auf:
- Zuständen nach Schlaganfall
- Multiple Sclerose
- Parkinson-Erkrankungen
- Zuständen nach Schädel-Hirn-Trauma
- Querschnittslähmung: Zustände aufgrund geschädigten Rückenmark jeglicher Art (Unfall, Tumor, etc.)
- Zuständen bei altersbedingtem Abbau (z.B. Demenz)
Die ganzheitliche Förderung ist nicht nur funktionell auf körperliche Defizite ausgerichtet, sondern fördert Körper, Geist und das Wohlbefinden. Unser erklärtes Ziel ist es, Patienten so weit wie möglich zu befähigen, ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen. Dabei ist Zeitdruck bei dieser Art von Rehabilitation ein absolutes Fremdwort.
Die Konduktive Förderung bedient sich – aus heutiger Sicht – fundierter Erkenntnisse aus der Neurophysiologie und der Neuropsychologie, auch Elemente der Physio- und Ergotherapie fehlen nicht. Zusätzlich wird ein großer Wert auf Logo- und Moto-Therapie, sowie auf sozialpädagogische Aspekte gelegt.
Die komplexe Förderung für Erwachsene hat das Ziel, die betroffenen Menschen zur „Orthofunktion“ zu führen. Das heißt, durch den Wiedererwerb von Fähigkeiten eine weitgehende Unabhängigkeit von Hilfsmitteln beziehungsweise fremder Hilfe im Alltag, in der Familie, im Berufsleben und im gesellschaftlichen Umfeld zu erreichen.
Nicht nur bei Lähmungserscheinungen nach Schlaganfällen, auch nach Schädel Hirn-Trauma, bei Multipler Sklerose und bei Parkinson sind die erzielten Fortschritte beachtlich. Komplextherapie ist sowohl ein Kleingruppen- als auch ein Individualprogramm, das die Bewegungsstörung nicht isoliert betrachtet, sondern die gesamte Persönlichkeit mit einbezieht und eigene Lösungsfindungen unterstützt. Auch bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben hat diese Art der Rehabilitation eine große Chance, um beruflich wieder aktiv zu sein.